Bakterien, denen kein Antibiotikum mehr etwas anhaben kann, sind längst zu einer globalen Gefahr mutiert. Besonders in Krankenhäusern infizieren sich immer häufiger Menschen mit Keimen, die gleich gegen mehrere Arzneistoffe resistent sind. Jeder weiß, dass die potenten Mikroben auch entstehen und sich verbreiten, weil etwa Puten, Hühnchen und Schweine in engen Ställen mit Antibiotika gegen Tierseuchen behandelt werden.
Nun tickert heute über die Agenturen eine Nachricht, die vielen die Lust aufs Mettbrötchen verderben dürfte: In mehreren Wurstprodukten aus Supermärkten in 13 Städten Deutschlands seien problematische Keime gefunden worden. Die vermeintliche Studie hat die Grünen-Bundestagsfraktion in Auftrag gegeben. In einer Pressemitteilung dazu heißt es: "Diese für den direkten
Verzehr gedachten Lebensmittel stellen somit unmittelbar eine
Gesundheitsgefahr für die Verzehrenden dar." Schließlich seien in zehn von 63 Wurstproben "ESBL-Keime" nachgewiesen worden. Solche Bakterien produzieren bestimmte Enzyme (Extended Spectrum β-Lactamasen, kurz ESBL), die gängige Antibiotika wie etwa Penicillin außer Gefecht setzen können.
Wenn dann in den Meldungen dazu aus absoluten Zahlen auch noch verallgemeinernde 16 Prozent aller Wurstproben werden, klingt das schnell, als sei jedes sechste Stück Wurst verkeimt und jeder, der davon esse, bekomme eine unheilbare Infektion.
Passend dazu fordern die Grünen nun weniger Antibiotika in Mastställen, kleinere Herden, mehr Platz im Stall für
Tiere und so weiter. Außerdem wollen sie einen bundesweiten Routine-Test aller Fleisch- und Wurstwaren auf resistente Keime. Alles sinnvolle Vorschläge. Nur leider lassen sie sich wissenschaftlich nicht aus den alarmistisch präsentierten Ergebnissen des Wurst-Checks ableiten.
Eine Stichprobe ist noch keine Studie
Zunächst sind die Wurstkäufe im Auftrag der Grünen keine wissenschaftliche Studie. Es wurden lediglich Stichproben genommen; noch dazu recht wenige, verteilt auf verschiedene Sorten Wurst. Ein Privatlabor testete Proben von Salami über Zwiebelmett bis Teewurst auf die ESBL. Dabei wäre das gar nicht nötig gewesen. Längst gibt es eine Reihe tatsächlicher Forschungsarbeiten zum Vorkommen resistenter Keime auf verschiedenen Fleischsorten und in der Massentierhaltung, aus unterschiedlichen europäischen Ländern, besonders den Niederlanden, wo gleichzeitig große Mengen Antibiotika in der Tierhaltung zum Einsatz kommen.
Auch ist die Quote positiv getesteter Wurstproben mit 16 Prozent nicht mal so alarmierend, wie etwa die Ergebnisse niederländischer Forscher zu Hühnerfleisch: "Darin finden sich zum Teil in etwa 90 Prozent der Proben resitente Keime, die Resistenzenzyme produzieren", sagt der Mikrobiologe und Arzt Ivo Steinmetz vom Friedrich-Loeffler-Institut an der Uniklinik Greifswald. Er hatte im Sommer vor zwei Jahren mit Wissenschaftlern der Charité in Berlin und dem Robert-Koch-Institut erstmals deutsches Hähnchenfleisch gezielt auf ESBL untersucht (Kola, Steinmetz et al., 2012). Das Ergebnis: Mehr als 40 Prozent der Proben wiesen resistente Keime auf.
Aber: "Nicht jeder resistente Keim auf Fleisch muss für den Menschen pathogen sein", sagt Steinmetz und weist damit auf einen entscheidenden Aspekt hin: Die meisten Keime mit diesen Resistenzeigenschaften sind für den Menschen nicht akut bedrohlich, es können aber Krankheitserreger darunter sein. Wären in den aktuell im Auftrag der Grünen getesteten Wurstproben allerdings akut gesundheitsgefährdende Keime entdeckt worden, hätte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) längst eine bundesweite Warnung herausgegeben, reihenweise wären Wurstwaren aus den Märkten genommen worden.
Kommentare
Das Problem sind nicht die Keime
"Gesundheitsrisiko? Eher nicht. Der Wurstwaren-Check schürt unnötig Panik."
Das Problem sind nicht die Keime, sondern die Antibiotika, die in der Tierhaltung im Masseneinsatz verabreicht werden und so zur Resistenz der Antibiotika führen! Das Schlimme ist, daß man als Verbraucher gar nicht weiß, in welchen Fleisch- und Wurstwaren Antibiotika enthalten sind und trägt so durch den Genuß von Fleisch zur eigenen Überversorgung bei.
Das Problem ist schon lange bekannt, aber für die Politik bestand bislang kein Handlungsbedarf, da ganz offensichtlich andere Interessen Priorität haben ...
Herzlichen Dank!
Auch wenn ich mich dazu extra registrieren musste: Vielen Dank für einen ausgewogenen Artikel! Mehr davon, bitte.
Der bessere Artikel heute
Abgesehen von vielen weiteren Fakten in der Sache Antibiotika und Tierhaltung sowie die Anwendung am Menschen, die die Situation in Richtung Realität relativieren würden, ist dieser Artikel der beste, den ich heute gelesen habe.
Ich nenne Ihnen ein ganz anderes Beispiel, wo sich die (mitunter grünen) Geister scheiden, um zwei Punkte zu verdeutlichen:
Direkt über dem Fenster, vor dem ich gerade sitze, aber auch an dem restlichen Gebäude, nisten sich derzeit munter Schwalben ein. Ich mag die kleinen R2D2s, wie sie zwitschern und sich frech mit meiner Anwesenheit (immer wieder) auf geringste Distanz arrangieren. Es interessiert sie nicht, wenn ich aus 50 cm Distanz ihren Nestbau betrachte. Sie fliegen trotzdem an. Abschreckung bringt leider nichts. Alternativen schlagen sie aus.
Jeder Grüne, der in der Stadt wohnt und/oder nicht betroffen ist, wird Vergrämung dieser wahrhaft liebenswerten Vögel abscheulich finden und mich verurteilen, weil ich es versuche, bzw. genauer möchte, dass sie dort nisten, wo es mir egal ist.
Fakt ist aber: Die R2D2's sind nicht nur Dreckschleudern, nisten ausschließlich über Fenstern und Türen, bringen im Laufe der Nistzeit wahrscheinlich tausende Parasiten und Keime mit (man kann KEIN Fenster mehr öffnen, wenn über solchen durch Bretter für den Kot oder auf dem Fensterbrett sich alles stapelt, die Parasiten kommen sofort ins Zimmer).
Also: Diese lieben Tiere sind mit Krankheitserregern und Parasiten belastet, obwohl völlig frei, verteilen Keime.
Das Fazit:
Um Keime und lästige Parasiten (die dann zumindest die Decke bevölkern) über Kontinente nach Hause zu bekommen, die mir eine Lüftung durch Öffnung der Fenster im Sommer unmöglich machen, brauche ich keinen Maststall nebenan. Das kommt frei Haus und nennt sich dann natürlich aus gleichem Munde der Kritiker "Natur". Leute in der Stadt, die nicht betroffen sind, und auch nicht von Taubenschlägen auf dem Fenstersims oder Dachboden, reden gern mit erhobenem Zeigefinger. Aber genau dieser Kontakt ist der Nährboden für Keime zwischen Mensch und Tier. Denn die Exkremente und Schäden an der Bausubstanz müssen beseitigt werden. Zu Zeiten von Vogelgrippe hätte es Konsequenzen gehabt, auch für Tiere, mit denen ich vielleicht in Kontakt gekommen wäre.
Halten Sie die Luft an
15 Jahre lang haben jeden Sommer Vögel auf meinem Balkon genistet - meist Amseln, ab und zu auch Zaunkönige. Wir haben täglich einen Meter vom Nest entfernt gesessen und da sogar gegessen, man stelle sich vor. Mein Balkon war übrigens sauber. Und wir leben noch.
Lufthaben...
Genau das ist die Ignoranz, die ich meinte. Sie hatten immer mal ein Vogelnest auf dem !Balkon! ? Sie sind Experte.
Ich habe mehrere Vogelnester genau über jedem Fenster und (fast) jeder Tür, soweit ich nicht die Einnistung auf bestimmte Bereiche begrenzen kann. Das heißt schlimmstenfalls, die Vogelsch... eines Hühnerstalls auf allen Fensterbänken und an allen Fenstern und Rahmen, auf Pflanzen darunter einschließlich Obst.
Dass Sie sich hier mit Ihrer Balkon-Story hervortun wollen und mich maßregeln möchten, ist nicht nur dreist, sondern auch lächerlich. Sie sind genau der Stadtmensch mit vorgeblicher "Luxus-Lösung", den ich meinte.