Es ist das wohl monumentalste Bewässerungsprojekt des Globus. Seit 25 Jahren baut Libyen an seinem "achten Weltwunder", in das bisher 20 Milliarden Euro geflossen sind und dessen Gesamtkosten bis 2030 auf gut 27 Milliarden Euro kalkuliert werden. Der Diktator Muammar al-Gadhafi schmückt sich gerne mit dem Mammut-Projekt, das aus Wüsten Oasen macht und das karge Land an der Küste fruchtbar. Für Plakate lässt er sich zwischen sprudelnden Quellen malen. Dass für den künstlichen Fluss aus Pipelines fossiles Wasser verbraucht wird, stört ihn nicht.
Auch im Kontrollraum einer der Schaltzentralen in Bin Ghashir ist man stolz auf die Wüsten-Bewässerung. Leise brummt die Klimaanlage. Keinen Augenblick lassen die drei Techniker die große Monitorwand aus den Augen. 476 Wüstenbrunnen in Libyen und 1277 Kilometer Pipeline am anderen Ende des Landes stehen unter ihrer elektronischen Regie. "Wenn sich jemand dort an einer Pumpstationen zu schaffen macht, geht bei uns der Alarm hoch", sagt Khalifa Muhammed al-Talaf, Chef der Zentrale vor den Toren der Hauptstadt Tripolis.
Das Prinzip des "Großen künstlichen Flusses" ist einfach, die Idee reicht zurück bis in die 1960er Jahre, nachdem man 1953 auf der Suche nach Öl in der Wüstenregion unvermutet auf Wasser gestoßen war: Aus riesigen fossilen Speichern unter der Sahara (siehe Infokasten) wird das Wasser bis zur Küste gepumpt, wo die meisten der 6,5 Millionen Libyer leben.
Mittlerweile gilt der bis zu 2000 Meter tiefe Nubische Aquifer – so heißt der natürliche Wasserspeicher aus der letzten Eiszeit, der sich auch unter Ägypten, Tschad und dem Sudan erstreckt – als das größte unterirdische Frischwasservorkommen der Erde. Mit seinem Inhalt ließe sich Deutschland gut 1000 Meter unter Wasser setzen. Die berühmten Höhlenmalereien im Gilf Kebir und Jabal Uweinat zeugen noch von den üppigen steinzeitlichen Landschaften, die in der Region einst existierten.
"Wir haben keinen einzigen Fluss. 95 Prozent unseres Territoriums sind Wüste", sagt Agrarminister Abdelmagid El Gaood, der die Oberaufsicht über das Mammutprojekt hat. Als das Wasser an der Küste immer stärker nach Salz schmeckte und immer mehr Ackerflächen verdorrten, prüfte Libyen unter anderem, sauberes Trinkwasser per Tankschiff und Pipeline von Südeuropa herbeizuschaffen oder durch Meerwasserentsalzung zu gewinnen.
Unter dem Strich jedoch erwies sich das gigantische Röhrensystem auf eigenem Boden als die billigste Lösung. Die Produktionskosten für einen Kubikmeter Wasser gibt der Minister heute mit knapp 25 Eurocent an, zehnmal weniger als durch eine ölbetriebene Meerwasserentsalzungsanlage.
Kommentare
Im Vergleich zur Ölgetriebenen Entsalzung macht sich das gut
Ohne die Umweltschutzbedenken herabzuspielen, lässt sich sicher sagen, dass eine Lösung, die im Lauf von Generationen (mag man auch streiten, wie viele) ein natürlicher Reservoir aufbraucht, besser ist, als jetzt Entsalzung mit Öl zu betreiben. Wenn das Wasser dann später nochmal ausgeht, wird es eine dreckigere Lösung wohl nicht geben, mit der dann für Wasser gesorgt wird. Dann doch besser die Einnahmen aus dem Verkauf des Öls in eine nachhaltige Lösung (z.B. Entsalzung mit Sonnenenergie) investieren.
Nicht zuletzt ist es...
... ja auch so, dass in den letzten Jahren immer effizientere Wege zur Meerwasserentsalzung gefunden wurden.
Mikroklima
Ungeachtet des Propagandaeffekts für den Diktator, dem "König Afrikas", hat das Projekt sicherlich Auswirkungen auf das Mikroklima, die durchaus zu einem Mehr an Niederschlägen führen könnten: Wenn sich der Tau und der Nebel der Wüste wieder an der um ein Vielfaches multiplizierten Oberfläche von Pflanzen sammelt. So könnte langfristig theoretisch mehr Wasser zurück in den Boden gelangen, als entnommen wird.
Das Hauptproblem wird Versalzung sein. Wasser, das nur nach oben verdunstet nimmt Salze aus dem Boden mit nach oben.
Eventuell kommt es auch zu Absenkungen und zum Austrocknen einiger Oasen durch Verlust der Kapillaren. Das wäre aber durch die bewässerten Flächen wettgemacht und zu rechtfertigen. Es ist ja nicht so, dass man in Deutschland nachhaltig Landwirtschaft betreiben würde, warum also sollten es die Libyer tun?
Ob solche Projekte....
... das Mikroklima wesentlich beeinflussen dürfte angesichts des Einflusses des Klimawandels wohl eher sekundärer Natur sein.
Wichtig sind allerdings die richtigen, versalzungsarmen Bewässerungstechniken. Denn im Gegensatz zu Deutschland dürften die Agrarflächen in Lybien sehr viel empfindlicher auf nicht-nachhaltige Bewirtschaftung reagieren.
Problem: Versalzung
Mag sein, dass die Vorräte an fossilem Wasser sehr lange reichen.
Aber das große Problem beim Bewässern von Wüsten ist Versalzung der Böden. Um Wikipedia zu zitieren:
"Da Wasser in ariden und semiariden Gebieten (Wüsten und Halbwüsten) sofort nach dem Aufbringen auf das Feld stark verdunstet, fördert jede Bewässerung zusätzlich die Versalzung einer Fläche. Versalzung ist meist Folge einer übermäßigen oder falschen Bewässerung von wasserintensiven Anbaupflanzen in betroffenen Gebieten."
http://de.wikipedia.org/w...
Ich habe das in der Wüste im Iran gesehen: Eine Oase mit einer sprudelnden Frischwasser-Quelle, aber dicke weiße Salzkruste auf den Äckern die man damit bewässert hat.
Keine Strategie gegen die Versalzung ?
"Versalzung ist meist Folge einer übermäßigen oder falschen Bewässerung von wasserintensiven Anbaupflanzen in betroffenen Gebieten."
http://de.wikipedia.org/w..."
Klingt so, als ob man die Versalzung vermeiden könnte, wenn man keine Fehler bei der Bewässerung von wasserintensiven Anbaupflanzen macht. Ist aber nicht so und liegt auch nicht an besonders salzreicher Ackerkrume der bewässerten Wüste. Das aufsteigende Wasser führt eine geringe Salzfracht mit, bei Verdunstung an der Erdoberfläche findet Salzkristallistion statt. Und da es nicht wie bei uns, Wiederauflösung durch Niederschlagswasser und Abtransport in Flüsse bzw. Wiederversickern bis zum Grundwasser gibt, wird die an der Oberfläche ausgeschiedenen Salzmenge immer mehr. Rein Theoretisch könnte man dies vermeiden, wenn der ganze Verdunstungsprozess nur über die Pflanze und nicht über den Boden erfolgt (Bodenbedeckung um die Pflaze). Warum ist dies keine Lösung zumindest bei Anbau wasserintensiver Feldfrüchte (Melonen, Gurken) ? Bei uns gibt esdoch solche Gurkenfelder, bedeckt mit schwarzer Folie und Schlitzen für die Pflanze ?
Sprachstümperei
Die deutsche Übersetzung für "freshwater" lautet Süßwasser. Statt dessen das Wort "Frischwasser" ausgerechnet im Zusammenhang mit fossilem Nass zu benutzen, das nach Jahrtausenden kaum "frisch" sein dürfte, ist schlicht Stümperei.
Frischwasser oder Süßwasser
Lieber Leser,
ein interessanter Hinweis, aber finden Sie es nicht etwas übertrieben, hier von "Stümperei" zu sprechen?
Ich habe jedenfalls einmal nachgeschaut. Frischwasser ist im Deutschen ein Fachbegriff für Süßwasser - er wird vor allem im technischen Zusammenhang in Abgrenzung von Abwasser verwendet.
Falsch ist das also an dieser Stelle nicht, selbst wenn Herr Gehlen vielleicht sogar wirklich über den Umweg des Englischen auf "Frischwasser" gekommen sein mag.