Wenn die Frage nach einer zukünftigen nachhaltigen Landwirtschaft beantwortet werden soll, ist es notwendig, Landwirtschaft als Teil unserer Lebensumwelt zu begreifen. Auf unseren Äckern wird in letzter Konsequenz das umgesetzt, was die Majorität der Bevölkerung, der Mainstream, will. Die Landwirte erzeugen billige Nahrungsmittel mit einem hohen Anteil an Lebensmitteln tierischer Herkunft. Neuerdings liefern sie auch noch Bioenergie, da der Mainstream die Kernenergie nicht mehr als Energiequelle akzeptiert, aber Strom sparen nicht auf der Agenda steht. Beides zusammen bedeutet in der Konsequenz eine hoch intensive Landwirtschaft.
Wenn eine Akzeptanz für neue Technologien zur Sicherung der Welternährung erreicht werden soll, dann ist zunächst in den reichen Ländern der Welt der Diskurs über Lebensstile und Konsummuster zu führen, um dem Mainstream deutlich zu machen, dass sein Lebensstil diese Landnutzung und resultierende Flächenknappheiten maßgeblich verursacht. Werden alle importierten und exportierten Lebens- und Futtermittel und agrarischen Rohstoffe auf die zur Erzeugung notwendigen Flächen umgerechnet, dann beanspruchen die EU-Länder wesentlich mehr Fläche als ihnen im Inland zur Verfügung steht. Deutschland importiert allein Sojaprodukte aus Südamerika, zu deren Erzeugung etwa drei Millionen Hektar Land notwendig sind. Der mit dem europäischen Lebensstil verbundene Fleischkonsum mit knapp 60 Kilogramm je Person und Jahr bedingt einen "Flächenrucksack" von mehr als 2.000 Quadratmetern landwirtschaftlicher Nutzfläche für jeden Einwohner, wovon etwa 400 Quadratmeter in Südamerika zu Buche schlagen.
Wer also in Deutschland das Land Grabbing der Chinesen in Afrika und Südamerika geißelt, sollte zunächst zur Kenntnis nehmen, dass die EU sich an diesem virtuellen Landimport maßgeblich beteiligt. Gerade vor dem Hintergrund einer wachsenden Weltbevölkerung und steigender Nahrungsmittelbedarfe in der Zukunft ist der Ansatz einer bewussteren Ernährung unseres Erachtens das erste Gebot, denn nur so können wir den Schwellenländern nachhaltige Lebensstile vorleben.
Dazu ist es notwendig, einen neuen gesellschaftlichen Konsens in den reichen Ländern zu erzeugen, der insbesondere seitens der Agrarwissenschaftler gemeinsam mit den Ernährungswissenschaftlern bewusste und verantwortungsvolle Lebensstile mit nachhaltigen Konsummustern adressiert. Dies wiederum bedeutet für die universitäre Ausbildung, dass nicht nur neue Technologien in den Ingenieurswissenschaften zu lehren sind, sondern auch die angeführten gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge sowie deren soziologische und ethische Bewertung.
Bis zum Jahr 2050 ist laut der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) eine Steigerung der weltweiten Nahrungskalorien um etwa 70 Prozent notwendig, um die Nahrungsmittelbedürfnisse der Welt zu befriedigen. In den zurückliegenden 40 Jahren wurde laut FAO eine Steigerung der weltweiten Nahrungsmittelproduktion um etwa 150 Prozent realisiert; das war vor allem das Ergebnis der Grünen Revolution. Diese Produktionssteigerungen wurden ohne wesentliche Ausdehnung der weltweiten Agrarflächen erreicht. Die FAO zeigt auch, dass weltweit noch ein erheblicher Puffer an potentiellen Agrarflächen besteht, ohne dass mit der Nutzung dieser Flächen wesentliche negative ökologische Effekte verbunden sein müssen. Selbst in EU-Staaten Osteuropas liegen Flächen brach. Es gibt weltweit durchaus erhebliche Flächenreserven, die mit nachhaltigen Bewirtschaftungsmethoden und unter der Voraussetzung stabiler politischer Verhältnisse einen wichtigen Beitrag zur Nahrungsmittelproduktion leisten können.
Welche Agrarforschung brauchen wir?
Ernst-Ludwig Winnacker argumentierte zuletzt in der ZEIT, dass der technische Fortschritt ohne Grüne Gentechnik nicht ausreiche, die Nahrungsmittelsicherheit künftig zu gewährleisten. Dabei sind heute weltweit nur ganz wenige Länder in der Lage, das standortangepasste genetische Leistungspotential der konventionell erzeugten Sorten überhaupt auf ihren Äckern umzusetzen.
In vielen Ländern, selbst Europas, fehlt das Know-how und in Entwicklungsländern fehlen vor allem Produktionsmittel wie Dünger, Pflanzenschutzmittel und Bewässerungstechnologien. In diesen Ländern ist eine verminderte Nahrungsmittelproduktion gleichermaßen einem begrenzten Zugang zu Know-how und Kapital und damit primär einem Armutsproblem geschuldet. An diesen Rahmenbedingungen werden gentechnisch veränderte Sorten nur bedingt etwas ändern können.
Kommentare
Einige Anmerkungen I
Ein Masterplan ist genau das, was wir brauchen, sowohl für unsere Landwirtschaft als auch für den Aufbau einer solchen in den Entwicklungsländern und Hungergebieten.
Die beiden Autoren sprechen eine ganze Reihe von Faktoren an, die dabei beachtet werden müssen und zeigen, wie viele wissenschfaltiche Disziplinen daran zu beteiligen sind.
Genauso wichtig ist dabei aber, dass wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um diese Ziele zu erreichen.
Natürlich kann die Gentechnik allein nicht jedes Problem lösen, aber ohne sie werden wir nicht alle Probleme lösen können.
Die gv-Pflanzen der neuesten Generation, wie die o.g. Kartoffel, haben das Potenzial dazu, große Beiträge zur nachhaltigen Landwirtschaft zu leisten. Für solche Resistenzzüchtungen oder Umwelttoleranzen ist die Gentechnik sehr gut geeignet, weil gezielt entsprechende Gene eingebracht werden können, ohne das gesamte Genom sonst bewährter Sorten durcheinanderwirbeln zu müssen.
Bei komplexen Eigenschaften (wie z.B. Biomasseertrag) wird die konventionelle Züchtung auf absehbare Zeit noch die Nase vorn behalten, weil einfach zu viele verschiedene Mechanismen an solchen Eigenschaften beteiligt sind.
Einige Anmerkungen II
So ist es auch ein vielversprechender Ansatz, mithilfe von moderner Züchtung und ggf. Gentechnik Sorten zu züchten, die Kleinbauern in Afrika einen ertragreichen Anbau ermöglichen und weniger in so aufwendige Maßnahmen wie Bewässerungssysteme oder Dünger und Pflanzenschtzmittel investieren zu müssen.
Bildung dagegen wird in jedem Fall unerlässlich sein.
Es muss auch endlich klar gesagt werden, dass solche Forschung Aufgabe der öffentlichen Hand ist.
Wenn sich Firmen in Form von Public-Private-Partnership daran mit Geld und Know-how beteiligen, ist dies natürlich begrüßenswert.
Das Golden-Rice-Projekt hat gezeigt wie es gehen kann, Sygenta war eine Zeit lang daran beteiligt, trotzdem ist das Saatgut für die Bauern kostenlos und auch der Nachbau wird nicht von Patentansprüchen behindert.
Man wirft der Strabag auch nicht vor, dass sie in Afrika nicht kostenlos Straßen baut. Genauso wenig kann man die aufwendige Züchtung von entsprechnden Pflanzen zur kostenlose Abgabe an Bauern von Saatzuchtfirmen verlangen.
Wir brauchen endlich einen Masterplan ohne ideologische Tabus. Wenn Grüne Gentechnik helfen kann, soll man sie endlich nutzen,ohne darum ein großen Getöse zu machen. Und wenn andere Methoden bessere Ergebnisse liefern, ist das keine Niederlage der Grünen Gentechnik.
Sonderfälle
Mann kann und sollte sich die Gentechnik, auch in Europa, einfach als (letzte) Möglichkeit offen halten. Unternehmerische Bemühungen in Europa von hier zu verdrängen halte ich für grob fahrlässig, weil Potential verloren geht, was nicht einfach durch die GfP etc. aufgefangen werden kann. Außerdem wandert der Maiszünsler jährlich gefährlich weit nordwärts.
Hier wird aber mal klar, dass (junge) Agrarwissenschaftler eine Daseinsberechtigung haben, die über das buddeln in Erde hinausgeht.
Umdenken
Ganz ehrlich, bevor irgendwie ein Masterplan für das Thema Ernährung und Landwirtschaft gefunden wird ist es wahrscheinlich zu spät. Ich bin selbst in der Forschung tätig und sehe, dass Gutes versucht wird um Pflanzen zu optimieren (Gentechnik oder Züchtung), für Nahrun und leider auch in großem Maße um den Energiebedarf zu decken. Meines Erachtens ist das eine Abwärtsspirale, denn wir wissen einfach nicht was passiert, wenn wir alles "optimieren" und den natürlich immer weiter steigenden Bedarf decken....
Etwas was sicherlich helfen kann und auch langfristig bzw. NACHHALTIG zu besseren Zuständen führen könnte, ist, dass das Konsumverhalten sich verändert. Menschen sollten nicht nur WISSEN, dass das "Was" und "Wie" sie essen, was sie wegschmeißen etc. schädlich für sich und die Umwelt ist, sondern auch mal was von dem Wissen UMSETZEN . Wenn immer mehr von uns erkennen, dass man gelegentlich auf Fleisch oder exotische Früchte verzichten kann und auf das was zum größten Teil eh bei uns wächst zurückgreift, würde sich einiges ändern.
So kann jeder eingreifen und muss nicht auf den "Materplan" warten. Es gibt Einige, die Ihren Konsum bereits anpassen, aber es wäre schön wenn es mehr werden....
Die Natur macht es uns vor: Sich anpassen an die Umweltbedingungen. Unter diesem großen Spruch wird in unserem Institut geforscht. Warum passen wir uns also nicht auch den Bedingungen etwas an?