Viele Inder essen gern Chinesisch, doch mit spontanen Solidaritätsbekundungen gegenüber dem großen nördlichen Nachbarn ist man in Indien eher sparsam. Umso erstaunlicher, dass der jüngste Smog-Alarm in Peking südlich des Himalayas mit großer Anteilnahme und frei von jeder Schadenfreude vernommen wurden. "Denkt ihr, Peking geht es schlecht? Delhi ist nicht besser" titelte die größte englischsprachige Tageszeitung der Welt, die Times of India.
Das weltweite Erschrecken über Pekings Smog-Desaster fand in Delhi nicht statt. Im Gegenteil: Erst jetzt begriffen viele, wie schlecht die eigene Luft ist – nämlich viel schlechter als jener in der chinesischen Hauptstadt. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO lag der durchschnittliche jährliche Feinstaubgehalt pro Kubikmeter in Peking zuletzt bei 121 Mikrogramm, in Delhi aber bei 198 Mikrogramm, in Kalkutta bei 148 Mikrogramm und in Mumbai bei 132 Mikrogramm.
Schon mehr als 25 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter gelten laut WHO als schädlich, wenn man die verseuchte Luft mehr als 24 Stunden am Stück einatmet. Die kleinen Staubpartikel treten dann über die Lunge ins Blut ein. In Delhi aber wurden seit dem 25. Dezember kaum noch Werte unter 200 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter gemessen. Da gleicht Delhi Peking: Der Smog hält wochenlang an und wird nicht besser.
Delhifehlen die Mittel
Auch in Peking lagen die Smogwerte zuletzt wochenlang bei rund 200 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter. Ebenso ähneln sich die höheren Werte: Bei über 300 Mikrogramm pro Kubikmeter führte die Pekinger Stadtregierung an diesem Donnerstag Notmaßnahmen ein. In Delhi lag der Durchschnittswert am Donnerstag sogar über 400 Mikrogramm pro Kubikmeter. Allerdings verzichtete man auf besondere Maßnahmen.
Das nämlich ist der große Unterschied: Anders als in Peking ist der Smog in Delhi kein Thema. Niemand trägt hier Masken vor Mund und Nase. Niemand kommt darauf, dass die Kinder draußen nicht mehr spielen dürfen wie in Peking. Und niemand beschwert sich bei der Regierung wie die vielen Tausend Blogger im chinesischen Internet. Schon im Dezember befand Delhis Stadtgouverneurin Sheila Dikshit, dass ihrer Stadt schlicht die Mittel fehlen, um der davon galoppierenden Luftverschmutzung Einhalt zu gebieten. Unternommen wurde seitdem nichts.
Lebensstandard in Delhi ist niedriger als in Peking
Verantwortlich für die indische Lethargie ist der im Vergleich mit Peking deutlich niedrigere Lebensstandard der meisten Menschen. Viele können in den kalten Wintermonaten nicht heizen. Sie frieren – und denken nicht daran, wie schlecht die Luft ist. Auch käme man nicht darauf, beim Kohle und Holz verbrennen etwas einzusparen. Man hat ja eh nicht genug zum Heizen. Zudem kann die Delhier Regierung den Leuten schlecht wie in Peking befehlen, vom Auto auf Bus und U-Bahnen umzusteigen. Dafür fehlt es an öffentlichen Verkehrsmitteln. Vor allem das U-Bahn-Netz ist noch sehr weit gespannt.
Ohne Alternativen aber ist das Leben im Smog offenbar sehr viel entspannter. Zumal in Delhi die Temperaturen nicht vergleichbar in den Keller sinken und die Mittagssonne auch im Winter wärmt. Man flüchtet also nicht in die Häuser wie in Peking, sondern bleibt an der verschmutzten Luft.
Gut für die Gesundheit ist das nicht, aber es hilft die Gefahr zu verdrängen. Sogar die Fussballliga der Delhier Eliteschulen ließ am Freitag die Kinder weiter im Freien kicken. "Ach, die haben alle nur ein bisschen Erkältung", erklärte die Liga-Koordinatorin Kanchan Singh das Wegbleiben einiger Kinder. Nicht einmal bei den reichen Indern klingen die Smog-Alarmglocken.
Kommentare
Hilfe
Wenn ich Angela Merkel wäre, würde ich jetzt in Indien anrufen und unsere Hilfe anbieten. Wir können sicherlich neue Techniken und Verfahren bieten, die dem Land hilft die Umweltverschmutzung in den Griff zu bekommen.
Vielleicht zu naiv gedacht aber so was wäre doch eine win/win Situation.
Vom Westen exportiert
Schöner Gedanke, hätte der Westen damit eigentliche eine win-win-win-Situation.
Als man in Deutschland anfing Naturschutzgesetze einzuführen und die Unternehmen verpflichtete, weil die Lebensqualität eben doch eher von sauberer Luft und trinkbarem Wasser als vom Geld abhängt, da begann in Asien ein zaghaftes Wirtschaftswachstum. Beschleunigt nach dem Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs. Vielleicht könnte man darüber mal eine Kampagne schreiben (kleiner Tip), denn für mich steht fest, dass wir in China und Indien (und in Bangladesh und Vietnam... wird es nicht anders sein) unserer exportierten Gegenwart angesichtig werden. Das, was dort die Flüsse herunterwabert, müsste eigentlich in unseren Flüssen schwimmen, denn es sind Produkte, die der Westen bestellt und konsumiert.
Zu unserem doppelten Vorteil. Die Umwelt ist recht sauber und wir können mit dem Finger nach Asien zeigen: "Wir haben es geschafft mit deutscher Diszplin, den CO2 Ausstoß zu verringern. Jetzt müsst ihr." Uns hilft dabei doch eher die Fähigkeit zur Ignoranz, politisch gefördert. Unsere heilige Kuh ist Wirtschaftswachstum.
nun...
...dass die Luft in Delhi i.A. nicht ganz frisch ist, ist doch wohl eine länger bekannte Tatsache. Am Besten zu "genießen" im Wonnemonat Mai. Da kommt nämlich noch das Vormonsoon-Wüstenklima dazu mit bis zu 50°C im Schatten. Nachts kühlt's dann auf nur noch 30°C ab. Ich "Indienspezialist" hab gerade dann meine Reise 1999 dort begonnen und musste noch eine Woche auf einen Kumpel dort warten, um dann Richtung Himalaya zu flüchten. 3 Monate später, wieder zurück in Delhi waren es dann nur noch 35°C tagsüber, dann aber in der Monsoonwaschküche dort. Die Luftverschmutzung war allerdings weiterhin auf dem gleichen Level, und dann die Flucht nach Kerala...
Ich hab mich schon gewundert, warum die Chinesen in Beijing so mimosenhaft jammern, lol
Entfernt, da unsachlich. Die Redaktion/ls
In Indien haben
sie kein Geld, um das Thema weitblickend anzugehen. Insofern erscheint das Bild von China, wo einerseits massiv in umweltfreundliche Technologien investiert wird, zum anderen das Versorgungsnetz wesentlich breiter als in Indien aufgestellt ist und somit das Gros der Bevölkerung erreicht, besser.
Und zu Georg Blumes Bericht läßt sich ergänzen, nicht nur in Indien ist der heimische Smog kein Thema, auch in den hiesigen Nachrichten wird es komplett ausgeblendet. Warum nur finden sich immer wieder Journalisten, die einseitig auf China draufschlagen beim geringsten Anlaß in Häme ausbrechen und sich in Negativ-Szenarien schier überschlagen (siehe die Bildstrecken der vergangenen Wochen). Sollte es etwa sein, daß sie dafür bezahlt werden, in dieser Weise zuberichten?
Mehrfach habe ich darauf hingewiesen in Kommentaren, daß die Meldungen über Extremkälte in China genau dann aus den Schlagzeilen verschwanden, als die Meldungen über den Smog begannen. Und gezielt wurde über ein Heizproblem nicht berichtet, weil sich damit die Nachrichten über den Smog viel gefährlicher, unabänderlicher und der korrupten Regierung anhängbar darstellen ließen. Ich meine, daß es einer Änderung in der Berichterstattung über China bedarf, es muß klarer werden, daß hier alle an einem Strang zu ziehen haben.
Nee, xiezeren, die kriegen mit ziemlicher Sicherheit
nix extra, die Journalisten, wenn sie negativ über China berichten.
Das ist irgendwie drin in der Gesellschaft, ich habe keine Ahnung, woraus das resultiert - Neid? Auf ein Drittweltland, "kommunistisch" dazu, das uns tollen Erstweltlern zeigt, wie man das macht?
Wann immer ich in meiner Familie oder in meinem Bekanntenkreis etwas Positives aus China berichte, schlägt mir Ablehnung entgegen.
Und die werden mit Sicherheit nicht bezahlt dafür.
War 2009 in Indien
Dehli ein Tag, Mumbai insgesamt fast ne Woche.
Da war mit der Luft alles normal. (jedenfalls nasen- und augenscheilich, selbst in Dhawari)
Also entweder ist es in denen 4 Jahren extrem viel schlechter geworden oder es hängt stark von Jahreszeit und Wetter ab.
Oh mann wann wachen wir endlich auf? Für Wirtschaftswachstum unsere Lebensgrundlage ruiniern - na ja hat ja bisher auch immer geklappt.
Könnte uns eine intelligete Spezies aus dem All beobachten, sie würden uns für die dämlichsten Geschöpfe im ganzen Universum halten.
Letzteres, Hänschen, letzteres.
"Also entweder ist es in denen 4 Jahren extrem viel schlechter geworden oder es hängt stark von Jahreszeit und Wetter ab"
Smog bildet sich bei Inversionswetterlagen - mal bei Wiki reinschauen, Wiki hilft!
Und dann kommen topographische Faktoren dazu ("Kessellage")
und, natürlich, die Menge der Schadstoffe, die man unten emitiert. Und da im Winter geheizt wird...