Es hat sich herumgesprochen. Palmöl ist schlecht für die Umwelt. Seinetwegen werden in Südostasien seit Jahrzehnten gigantische Flächen an Regenwald abgeholzt, bedrohte Tiere, wie Orang-Utans, Elefanten und Nashörner, verlieren ihren Lebensraum. Um Platz für Monokulturen aus Ölpalmen zu schaffen, werden Moore trockengelegt und Wälder brandgerodet – die Folgen sind Waldbrände, während derer binnen Wochen so viel Treibhausgase in die Luft geschleudert werden, wie Deutschland in einem ganzen Jahr nicht produziert.
Wer das verstanden hat, schaut im Supermarkt zweimal auf die Schoko- oder Shampoo-Packung. Palmöl drin? Dann lieber nicht kaufen. Doch jetzt überrascht ausgerechnet der World Wide Fund For Nature (WWF) in einem Bericht mit dieser Botschaft: Ein Boykott von Palmöl sei keine Lösung. Es komplett durch andere pflanzliche Öle zu ersetzen, wäre für die Umwelt sogar noch schlimmer!
So heißt es in der Veröffentlichung Auf der Ölspur– Berechnungen zu einer palmölfreien Welt: Der Ersatz durch Kokos-, Soja-, Sonnenblumen- oder Rapsöl hätte einen massiv höheren Flächenbedarf zur Folge, würde zu noch mehr Treibhausgas-Emissionen führen und Tiere und Pflanzen stärker gefährden, als es die globalen Palmölplantagen derzeit tun. Deutschland verbrauche derzeit 1,8 Millionen Tonnen Palmöl pro Jahr – das meiste davon in Form von Biodiesel, gefolgt von Nahrungs- und Futtermitteln (siehe Grafik). Um diesen Bedarf mit anderen Ölen zu ersetzen, bräuchte es 1,4 Millionen Hektar zusätzliche Anbaufläche für die Pflanzen, aus denen Landwirte die Produkte gewinnen können.
Der WWF-Bericht basiert auf Modellberechnungen von Agrarökonomen des Dienstleisters Agripol. Die Firma berät NGOs, Agrarunternehmen und Politiker, führt in deren Auftrag Studien durch und stellt Daten bereit.
Palmöl ist das meistgenutzte Pflanzenöl der Welt, weil es sich so ertragreich anbauen lässt und
vielseitig einsetzbar ist. Deshalb wird es nicht nur als Biodiesel genutzt, sondern auch in Lebensmitteln, Seife oder Kosmetik verarbeitet. Ölpalmen benötigen viel weniger Platz als Alternativen, um dieselbe Menge Öl zu produzieren: Während sich auf einem Hektar Anbaufläche 3,3 Tonnen Palmöl gewinnen lassen, liegt der Ertrag von Raps-, Kokos- und Sonnenblumenöl bei nur 0,7 Tonnen. Aus Sojapflanzen lassen sich auf derselben Fläche sogar nur 0,4 Tonnen Öl produzieren. Das macht Palmöl mit 700
bis 1.200 US-Dollar pro Tonne auch günstiger als andere Öle.
Ersatzöle lösen das Problem nicht
Statt das Palmöl zu ersetzen, fordert der WWF, den Konsum von Pflanzenöl insgesamt drastisch zu reduzieren: "Würden wir auf Palmöl als Biokraftstoff verzichten und einen bewussten Verbrauch von Konsumgütern wie Schokolade, Süß- und Knabberwaren, Fertiggerichten und Fleisch etablieren, könnten wir rund 50 Prozent des Palmölverbrauchs einsparen." Wer das beherzige, würde sich gleichzeitig gesünder ernähren.
Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) widerspricht dem WWF. Würde Biodiesel aus Palmöl in Deutschland verboten, führe dies nicht zu einem Ende der Abholzung von Regenwald. "Vielmehr besteht die Gefahr, dass sich die Regenwaldabholzung beschleunigen würde", schreibt der VDB in einer Pressemitteilung. Biokraftstoffe würdem vollständig nachhaltig produziert – Palmöl für die Biokraftstoffnutzung dürfe etwa nicht von Flächen stammen darf, die nach dem Jahr 2008 abgeholzt wurden. Die Anforderungen an Biokraftstoffe seien strenger als für die Lebensmittel- und chemischen Industrie, wo nur freiwillige Selbstverpflichtungen gelten. "Ohne den Markt für Biokraftstoffe könnten sich weltweit die niedrigsten Produktionsstandards durchsetzen. Damit würde dem Regenwald und dem Klima ein Bärendienst erwiesen", sagte VDB- Geschäftsführer Elmar Baumann.
Verbrauchern rät der WWF in seinem Bericht beim Kauf von Produkten, die Palmöl enthalten, zumindest auf Zertifikate nach dem RSPO-Standard zu achten. Der WWF selbst kooperiert mit Unternehmen, die beim Anbau von Palmöl bestimmte Sozial- und Umweltauflagen erfüllen. Andere Umweltorganisationen kritisieren das und bezweifeln, dass Monokulturen überhaupt nachhaltig sein können. Hinzu kommt, dass in den Hauptanbauländern Indonesien und Malaysia lokale Machtstrukturen und Korruption die Umsetzung von Umweltauflagen erschweren.
Kommentare
"den Konsum von Pflanzenöl insgesamt drastisch zu reduzieren: "Würden wir auf Palmöl als Biokraftstoff verzichten und einen bewussten Verbrauch von Konsumgütern wie Schokolade, Süß- und Knabberwaren, Fertiggerichten und Fleisch etablieren, könnten wir rund 50 Prozent des Palmölverbrauchs einsparen." Wer das beherzige, würde sich gleichzeitig gesünder ernähren. "
Diesen Abschnitt erachte ich als den wichtigsten im ganzen Artikel. Schade, dass dieser Aspekt nicht weiter ausgeführt wurde. Natürlich macht es keinen Sinn, anstatt Palmöl einfach Kokosöl, Sojaöl usw. zu verbrauchen.
Danke, das wollte ich auch grad schreiben. Und dann auch noch so eine bescheuerte Überschrift... Einfach mal weniger unnötiges Zeug kaufen scheint zu schwer zu sein.
Ich frage mich bei solchen Artikeln, eher wie sinnvoll ein Appell in der Überschrift überhaupt ist? Schließlich handelt es sich in diesem Fall wohl wirklich um ein Problem, das ich als Europäer kaum beeinflussen kann, weil sowohl Hauptkonsumenten als auch Produzenten außerhalb des Kontinents liegen. Und die Dieselbesessenheit jierzulande macht uns bereits aus anderen Gründen Probleme.
Wir müssen uns wohl klar machen, dass sich weite Teile der Welt auch durch ihre ganz eigenen Konsumgewohnheiten zugrunde richten können, ganz unabhängig davon, was wir gerade so tun.
Produkte mit Palmöl zu meiden, geht wohl.
Wenn es auch zu Beginn etwas mühsam ist.
In Bio-Läden gibt es inzwischen Marken, die bewusst deklarieren "Ohne PÖ".
Manche haben umgestellt.
Ich mache mir die Mühe, danach zu schauen und dann zu entscheiden.
Zugegeben, nicht jedermanns Sache.
Für mich aber grundsätzlich, weil ich mich entschieden habe.
Freundliche Grüße!
Eine der größten ökologischen Lügengeschichten ever ist die Nachhaltigkeit und Klimaneutralität des allseits gepriesenen Biokraftstoffs. Der enorme Verbrauch von Stickstoff-Düngemitteln und der energieintensive Abbau, sowie die Verarbeitung zum Öl als Kraftstoffbeimischung vermiesen dessen vermeintlich gute Öko - und Klimabilanz. Der Palmölanbau in Indonesien hat zudem desaströse Folgen für die Umwelt. Jedes Jahr fällt in Indonesien eine Waldfläche so groß wie die kanarische Ferieninsel Teneriffa den Brandrodungen der Palmöl-Mafia zum Opfer.
Es wird allerhöchste Zeit, dass die EU eine Wende in ihrer Agrarkraftstoffstrategie einleitet, auch wenn dies einen heftigen Protest der indonesischen Regierung mit Boykottaufrufen gegen europäische Waren auslösen wird. So be it! Da muss die EU-Wirtschaft durch, um die Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren, ob nun aus fossilen oder biologischen Ressourcen. Die niedrigen Kraftstoffpreise rechtfertigen mittlerweile auch keine Beimischung mehr. Wer sich die Zerstörung mal vor Augen führt, tankt bald sein E10 oder Biodiesel mit einer anderen Sichtweise, als nur auf die Preistafel zu starren: http://www.faszination-re...
Schade, dass scheinbar niemand Hanföl auf der Agenda hat. Für Hanf bräuchte man keine Regenwälder zu roden, denn Hanf ist eine Pionierpflanze und kann somit weltweit neue Ackerflächen erschließen und er kann noch viel mehr.
Ab #10
http://www.zeit.de/2015/3...
Aaaaber: Es dürfte zunächst mal teurer werden um ein paar Cents pro Produkt. Und genau daran würde es zu scheitern drohen.
Gute Idee, ich benutze Hanföl im Wechsel mit anderen nativen Ölen in der Küche für Salate oder frisch zubereiteten Speisen.