Fliegen ist schlecht für das Klima. Daran zweifelt niemand mehr. Was aber bedeutet das für jeden Einzelnen? Müssen wir auf Fernreisen verzichten? Statt zum Städtetrip nach Barcelona lieber mit dem Zug nach Brandenburg? Oder gleich zu Hause bleiben? Zuletzt äußerten sogar die Spitzenkandidaten für die Europawahl, dass man Kurzstreckenflüge auf lange Sicht abschaffen müsse. Anne Kretzschmar und Matthias Schmelzer sind in der Klimagerechtigkeitsgruppe "Am Boden bleiben" aktiv und erklären in diesem Gastbeitrag, warum wir alle genau das tun sollten.
Haben Sie ein schlechtes Gewissen, wenn Sie ins Flugzeug steigen? Dafür gibt es jetzt sogar ein Wort: Flugscham. Viele, die wissen, dass Fliegen zwar klimaschädlich ist, wollen sich den Start in den Urlaub trotzdem nicht vermiesen lassen. So argumentierte zuletzt auch der Journalist Niels Boeing in seinem Text Verzicht rettet die Welt nicht (ZEIT Wissen, 3/2019): Die Klimawirkung sei gar nicht so relevant und wenn Einzelne oder nur wir Deutschen auf die geliebte Fernreise verzichten, mache das sowieso keinen Unterschied. Außerdem gebe es Kompensationen, die den CO2-Ausstoß der Flugreise ausgleichen würden, und längerfristig vielleicht sogar technische Lösungen.
Tatsache ist aber: Allein im vergangenen Jahr haben die Passagierzahlen im deutschen Luftverkehr um 5,4 Prozent zugenommen. Seit 1990 gab es einen weltweiten Zuwachs an Passagieren von 100 Prozent – in Deutschland sogar 250 Prozent. Die Klimazerstörung durch das Fliegen ist fast so gravierend wie die des Autoverkehrs. Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird der Flugverkehr im Jahr 2050 für fast ein Viertel aller globalen Emissionen verantwortlich sein. Das prognostiziert die Europäische Umweltagentur. Angesichts dieser Zahlen und Prognosen ist es absurd, die Klimawirkung des Fliegens zu relativieren. Im Gegenteil: Das ungebremste und unregulierte Wachstum der Flugindustrie wird über kurz oder lang alle anderen Anstrengungen zur Reduktion der CO2-Emissionen auffressen.
Fliegen ist immer noch ein Privileg
Der Verzicht von einigen wird die Welt nicht retten, schreibt Boeing. Aber ebenso wenig hilft es, die Privilegien der kleinen Gruppe, die um den Globus fliegt, zu verteidigen und die eigene Verantwortung kleinzureden. Lediglich drei Prozent der Weltbevölkerung sind im Jahr 2017 geflogen. Geschätzte 80 bis 90 Prozent der Weltbevölkerung haben noch nie ein Flugzeug betreten. Zwar hat die Verringerung der Flugkosten in den letzten Jahrzehnten vor allem in den reichen Ländern zu einer enormen Demokratisierung des Flugverkehrs geführt. Und zunehmend wird auch in Schwellenländern geflogen – die Internationale Luftverkehrsvereinigung (IATA) erwartet, dass sich die Zahl der Fluggäste bis 2035 auf etwa 7,2 Milliarden fast verdoppeln wird.
Doch selbst in Ländern wie Großbritannien sind 15 Prozent der Bevölkerung für 70 Prozent der Flüge verantwortlich. Es sind bildungsbürgerliche, weltoffene, oft auch politisch progressiv scheinende und grün-links-wählende Menschen, die auf ruinöseste Weise den Planeten bereisen. Dass diejenigen, die den Klimaschutzdiskurs bestimmen, so viel fliegen, erklärt vielleicht auch, warum Klimapolitiker so wenig tun, den Flugverkehr einzuschränken. Und das viele Fliegen lässt sich eben nicht durch punktuelle und symbolisch aufgeladene Nachhaltigkeitspraktiken wie bio-vegane Ernährung, Fahrradfahren oder Ökostrom – so sinnvoll diese auch sind – ausgleichen.
Es geht nicht nur um CO2
Fliegen treibt die Erderwärmung nicht nur voran, weil es CO2 ausstößt. Die Zahlen, mit denen die Luftfahrtindustrie arbeitet und die auch in der Diskussion zur Relativierung der Klimawirkung des Fliegens angeführt werden, sind irreführend. Denn andere Luftfahrtemissionen wie Stickoxid, Feinstaub, Wasserdampf, Kondensstreifen und Veränderungen in Zirruswolken erhitzen die Atmosphäre zusammengenommen sogar noch mehr. Da Flugzeuge ihren Treibstoff in großer Höhe verbrennen und dort ihre Abgase ausstoßen, wirkt sich das besonders gravierend aus. Beeinträchtigt wird dadurch und durch die entstehenden Kondensstreifen auch die natürliche Wolkenbildung (Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the IPCC: Forster et al., 2013). Diese Nicht-CO2-Effekte erhöhen den Schaden, den der Luftverkehr in der Atmosphäre anrichtet um den Faktor zwei bis vier, wie die Organisation atmosfair (2016, PDF ) auf Grundlage eines IPCC-Berichts berechnet hat (Penner et al., 1999). Rechnet man diese Wirkungen mit ein, gehen fast zehn Prozent der deutschen Verantwortung für die Erderwärmung aufs Konto der Luftfahrt – das ist fast so viel wie der Autoverkehr. Schon heute ist zum Beispiel die Airline Ryanair einer der zehn größten CO2-Emittenten Europas.
Kommentare
Interessant hierzu auch welche Wählergruppierung am meisten fliegt. Es sind die Grünen.
https://rp-online.de/politik…
Da frage ich mich, wie kann man behaupten die Welt retten zu wollen, wenn man nicht mal bei sich anfängt?
mit oder ohne Flieger, auf die Schnauze fallen wir allemal, mit oder ohne...das sind so verzweifelte Versuche irgendetwas zu drehen, umzukehren, zu bremsen...Freunde, its to late now, der Zug is weg, es kommt kein anderer, dat hamwa nu davon, lass uns doch zumindest noch etwas fliegen, wenn auch, letztendlich auf die Fresse...
Oder: Wir kämpfen bis zum Schluss (egal ob wir gewinnen oder nicht)!
Es scheint zur Zeit nichts wichtiges zu passieren, sonst würde nicht schon wieder so ein Pseudoproblem hochgespielt. Ich fliege soviel und wann ich will. Die Probleme überlasse ich den Diskutanten hier.
Die Probleme überlassen Sie Ihren Kindern und Enkeln, falls vorhanden.
Und die viel gepriesene globale Welt wird einfach abgeschafft. Keine Begegnungen mehr. Die bunte Welt wird etwas weniger Farbe zeigen. Jeder bleibt auf seinem Kontinent. Ja, die Fliegerei ist ein Akt des Teufels.
Abgesehen davon, dass die wenigsten Touristen in andere Länder fliegen, um die Bevölkerung kennenzulernen: Die meisten Menschen kommen auch heute nicht in den Genuss von Flugreisen. Die Grundlage für Ihren Lebensstil ist also, dass die allermeisten Menschen keinen Anteil daran haben. Wäre es anders, dann hätte die Klimakatastrophe heute schon solche Ausmaße, dass Privatflüge verboten oder stark limitiert wären.
Weil andere Menschen es nicht schaffen, ihre Länder in die Zivilisation zu überführen, muss man jetzt hier ein schlechtes Gewissen haben?
Nö.
Der größte Denkfehler bei den Klimaaktivisten ist, dass sie pauschalierendes Daherplappern praktizieren. Von Wien nach München lohnt sich das Fliegen nicht. Da ist man besser dran mit Bahn oder Auto. Größere Entfernung sind immer eine Überlegung wert.
Ich treffe unterschiedliche Menschen auf Flügen. Meistens sind es Frauen und Männer, die geschäftlich unterwegs sind. Ich bin so oft von Wien nach Amsterdam geflogen und habe oftmals Mitflieger wieder getroffen. Und wenn der Gemeindebaubewohner einmal im Jahr in den Urlaub fliegt, werden die Eisberge auch nicht schneller schmelzen.
Bei keinem Thema wird mehr pauschaliert als beim Klimawandel.
man kann auch kosmopolit sein ohne in der welt herumzujetten! einfach mal mit dem flüchtlingen sprechen, die schon bei uns sind.
amsterdam und wien kann man bequem mit dem zug erreichen, auch dort kann man menschen treffen, soll ich ihnen die verbindungen raussuchen?
Meinen Großpapa und meine Großmama in Amsterdam regelmäßig zu besuchen hat mit einer Kosmopolitin nichts zu tun. Es ist Familie. Ich bin auch kein Flüchtling, sondern eine Enkeltochter.
Bequem? Die Reisezeit ist einfach 11 bis 12 Stunden. Sie schreiben Unsinn.
Egal wo Sie in Deutschland leben ... das Ausland ist immer in Fußreichweite!
Natürlich nicht an einem Tag, aber in zwei Wochen kommen Sie locker irgendwo hin und zurück !
Um die Welt auf dem Fahrrad geht auch. Frau muss nur wollen.
Ja, man kann ja auch wieder die Postkutschen einführen. Klimaaktivisten wären sicherlich begeistert.
So genau wollten wir es gar nicht wissen.
Und die Tierschützer hätten ein neues Betätigungsfeld.
Oh ja. Die armen Postkutschenpferde. Das würde zwischen Klimaaktivisten und Tierschützern fast einen Bürgerkrieg auslösen. Wo doch schon Klimaaktivisten die Ausdünstungen von Vieh für gefährlich halten. Nur ihre eigenen Ausdünstungen sind ihrer Ansicht nach klimakonform.
Wo sehen Sie ein Problem mit Postkutschen? Fänd ich super, wenn es weniger Schlachtvieh gäbe und statt dessen wir im Verhältnis von 3 : 1 dafür Zugpferde züchten und die Post umweltfreundlich durch die Gegend kutschiert wird.
Welche Post muss denn schon wirklich unbedingt am nächsten Tag ankommen? Eben !
Wer ist wir?
Alles möglich. Vielleicht lösen sich ja alle aktuellen Probleme in Luft auf. Kein Flüchtling mehr aus fernen Ländern. Wir leben absolut provinziell, kein Fremder mehr stört unsere Kreise. Außer wenn ein Mozart von Wien nach Prag die Postkutsche für eine kleine Weltreise besteigt.
Sie sind aber gut drauf!
Die Pauschalisierungen gehen mir auch auf den Geist.
Vielleicht auch auf Schustersrappen mit der Kiepe auf den Rücken.
Sie schreiben in ihrem Profil
„Ich bin ganz einfach ein Mensch der den Glaube an den Menschen verloren hat.“
Das ist falsch. Es sind nicht die Menschen allgemein, an denen man verzweifeln muss, sondern nur an jene Menschen, die dem fatalen Irrtum aufgesessen sind, nur sie seien auserwählt um die Welt zu retten. Vor ihnen sollte man prinzipiell auf der Hut sein.
Jetzt trollen Sie nur noch ...
Wer fliegt denn fast jede Woche? Richtig, Geschäftsleute!
Warum wird nie daran appelliert, dass die ihre Flüge mal ordentlich reduzieren? Warum gibt es stattdessen hier in der Zeit Artikel darüber, wie wichtig persönliche Begegnungen in der Geschäftswelt sind?
Ich glaube, man will den normalen Leuten ein schlechtes Gewissen einreden, aber nicht, dass tatsächlich der gesamte Lebensstil überdacht wird. Nur dann können wir aber wirklich die Klimakatastrophe stoppen.
Es gibt keine Klimakatastrophe.
In einigen Regionen gibt es sehr wohl immer wieder Klimakatastrophen.
Es gibt Wetterphänomene.
Es gibt einen Klimawandel, aber der ist keine Katastrophe, sondern eben ein Wandel. Der Mensch wird, wie seit Anbeginn der Zeit, mit diesen Veränderungen klarkommen und der Natur trotzen oder sich gegebenenfalls die neuen Bedingungen sogar zu nutze machen.
Mankind #1.
Vor ihnen sollte man prinzipiell auf der Hut sein.
Umgekehrt wird ein Schuh raus! Wer wie ich in die Abgründe der Seele geschaut kann gar nicht anders, deshalb sind Menschen wie ich eigentlich die Friedlichsten auf der Welt.
Deshalb mag aber Menschen die so frei von der Seele reden wie Sie, da weiß ich wo ich dran bin mit Leuten scheinheilig von hinten ankommen kann ich nichts anfangen.
Außer dem bin ich emotional auf der gleichen Schiene wie die kleine Frida, wir sehen die Welt mit anderen Augen und spüren schon vom weiten wenn etwas nicht stimmt.
So jetzt ist aber genug, ich hoffe der Post erreicht sie noch.
Mfg
Ergänzung: haben Sie den Zusatz zu meiner Erklärung gelesen?
In den Post haben Sie die Antwort.
Es gibt doch nicht nur Pauschalreisen, ich habe in 3 Laendern gearbeitet,habe dort viele Leute kennen gelernt, Einheimische und andere Auslaender. Viele Leute auch die mit nicht so viel Geld koennen dank EU und billiger Fluege im Ausland arbieten, also au. pair, als barkeeper oder sonst was, oder im Call Centre. Die die es sich leisten koennen oder ein Stipendium ergattern oder in Laendern sind, wo da gut unterstuetzt wird koennen auch im Ausland studieren. Ich hatte das Glueck einen Austausch machen zu koennen, ja privilege, aber auch fuer so was gibt es manchmal stipendien fuer Leute die das selbst nicht leisten koennen etc. Alse diese dinge und auch das spaetere Besuchen der Leute, die man bei diesen gelegenheiten trifft, wird kaput gemacht, duch so ideen wie Brexit und Flugverteuerungen. etc. Ich kenne hier viele Leute in Irland aus EU Laendern, wo die Loehne niedrig sind und deren Eltern sind nicht Reich, die haben es trotzdem geschafft im Ausland zu arbeiten, oft sogar fuss zu fassen und besuchen Ihre Familie Jaehrlich, auch wenn Sie m Supermarkt oder Call Centre Arbeiten, man priorisiert das dann halt, verzichtet auf anderes. Diese dinge zu Zerstoeren und den Migrantischen arbeitern aus anderen EU Laendern etc den Heimaturlaub zu verunmoeglichen und normalen Menschen noch den lezten Spass, den kleinen Sommerurlaub der erspart wird zu nehmen ist sehr unsozial, und die Reichen fliegen wieter Privatjet, na toll