Hermann Göring war nicht nur Herr über die Luftwaffe und über den Vierjahresplan zur Vorbereitung des Krieges – er war auch ein passionierter Jäger. 1934 wurde er Reichsforstmeister und Reichsjägermeister. In dieser Eigenschaft hörte er wohl zum ersten Mal von der Naturschutzbewegung.
Um 1870 hatte sich diese formiert, zunächst als konservative, teils rechts-konservative Reaktion auf die Industrialisierung. Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernahmen, war sie größer denn je. Sie bestand aus einflussreichen Einzelpersönlichkeiten wie dem preußischen Oberlandforstmeister Walter von Keudell und zahlreichen mitgliederstarken Vereinen wie dem Bund Naturschutz in Bayern, der heute noch existiert, oder dem Bund für Vogelschutz, dem Vorläufer des heutigen Naturschutzbundes Deutschland (Nabu). In den einzelnen Reichsteilen gab es bereits Naturschutzgesetze, auf Reichsebene fehlten sie noch.
Das sollte sich nun ändern. Ökologische Anliegen ließen sich mit der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie gut in Einklang bringen. Nicht zuletzt die Vorstellung, dass die "deutsche Heimaterde" die Grundlage für die angeblich überlegenen Eigenschaften der über Jahrhunderte veredelten "germanischen Rasse" sei, machte die Naturschutzbewegung für die Nationalsozialisten zu einem attraktiven Bündnispartner.
Hermann Göring erkannte die ideologischen Anknüpfungspunkte sofort und beschloss zu handeln. 1934 griff er zum Telefonhörer und rief den preußischen Kultusminister Bernhard Rust an, der ihm den Bereich hätte streitig machen können. Der Inhalt des Gespräches ist überliefert: "Hören Sie mal, Herr Rust, wie ist das nun mit dem Naturschutz? Ich bin doch der Einzige, der richtig Naturschutz treibt. Sie sind doch einverstanden, dass er auf mein Ressort übergeht. ... Ach was, ich habe doch den Wald und die Tiere, da passt der Naturschutz doch viel besser hinein als in Ihr Ressort ... Nicht wahr, Sie sind einverstanden ... Danke!"
Sofort ging Göring daran, rechtliche Grundlagen zu schaffen. 1935 brachte er das Reichsnaturschutzgesetz auf den Weg, das alle Belange des Naturschutzes in Deutschland, den Landschaftsschutz und den Schutz von Tier- und Pflanzenarten regeln sollte.
Die Naturschützer, die in der Weimarer Republik mit ähnlichen Vorhaben mehrmals gescheitert waren – vor allem am Widerstand der Landwirte –, rieben sich die Augen. Viele von ihnen wechselten spätestens jetzt ins Lager mit der Hakenkreuzfahne. Mühen, sich ins System einzufügen, hatten die wenigsten der großen Verbände. Ihre jüdischen oder als jüdisch geltenden Mitglieder schlossen sie bereitwillig aus. Allein der den Sozialdemokraten und Kommunisten nahestehende Verband Die Naturfreunde wurde verboten, einige seiner Mitglieder gingen in den Widerstand.
Fortan war der Naturschutz Staatsangelegenheit, institutionell abgesichert durch die neue "Reichsstelle für Naturschutz", die zunächst der glühende Antisemit und Nationalsozialist Walther Schoenichen und von 1938 an der nicht minder fanatisierte Hans Klose leitete. Ihnen vorgesetzt war im Reichsforstministerium Lutz Heck, der Direktor des Berliner Zoos. Gemeinsam verfolgten sie die Idee, "Großschutzgebiete" im Deutschen Reich einzurichten, die sie gut deutsch "Nationalparke" nannten (pikanterweise aber schaffte es der Nationalpark-Gedanke erst 1976 in das Bundesnaturschutzgesetz).
Besonders plastisch lässt sich am Autobahnbau studieren, wie Naturschutz und Blut-und-Boden-Ideologie Hand in Hand gingen. 1933 ernannte Hitler den Ingenieur Fritz Todt zum "Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen" im Range eines Ministers. Das war ein steiler Aufstieg, denn hinter dem unbeholfenen Titel verbargen sich große Möglichkeiten. Todt war nun zuständig für den gesamten Straßenbau im Deutschen Reich und Herr über die Arbeitsbeschaffungsprogramme zum Bau der Autobahnen, mit denen Hitler die Arbeitslosigkeit senken wollte.
Kommentare
Ein informativer, bisweilen die unfassbaren NS-Perversionen thematisierender Artikel, bedenkt man die Passagen zur Begrünung des KZ Auschwitz. Da - beim oberflächlichen Lesen - der Eindruck entstehen könnte, das NS-Regime habe tatsächlich etwas mit Naturschutz im Sinn gehabt (s. die Organisation Todt und den Autbahnbau mit den "Grünstreifen") eine kurze Anmerkung:
Es wird in diesem Zusammenhang gerne vergessen, dass die Nationalsozialisten in die Technik vernarrt waren. Um dies den Blut-und-Boden-Utopisten, den bündischen Siedlern und allen kulturpessimistischen Zivilisationskritikern in ihren Reihen schmackhaft zu machen, unterschieden sie eine westlich dekadente Technik von einer höherstehenden "arischen" (entsprechend etwa dem "schaffenden" und "raffenden" Kapital). Das NS-Regime beschleunigte Technisierung und Industrialisierung und blockierte alle Versuche, konservative Utopien in die Realität umzusetzen.
Der "romantische" naturschützerische Zug war weder mit der Theorie der "deutschen Herrenrasse" noch mit den expansiven Ambitionen vereinbar. Der Krieg brachte schließlich die totale Mobilisierung der technischen und industriellen Kräfte. Es war daher nur konsequent, dass spätestens mit Beginn des Krieges jeder Naturschutz völlig eingestellt wurde. Wer meint, das NS-Regime hätte ernsthaft etwas mit Naturschutz im Sinn gehabt, fällt noch heute auf dessen Propaganda herein. Diese Parallelen sollten also nicht gezogen werden.
Ihrem ersten Satz stimme ich zu. Danach im Grunde und zumindest, was diese Deutlichkeit betrifft, nicht mehr. ;-) Im Einzelnen vermag und werd ich darauf jetzt nicht eingehen, aber lassen wir doch einfach mal so stehen, dass man sich dem und so nicht vorbehaltlos anschließen braucht. Nebenbei bemerkt nehmen Sie Ihre Warnung vorm allzu "oberflächlichen" Lesen, vor dem offensichtlich allein Sie gefeit sind, hier schon auch als Anlass, noch weit über den eigentlichen Artikel hinauszuschießen und das kann man nicht nur gewagt finden, sondern es hätte gut gestanden, dies etwas deutlicher als eine Meinung zu markieren. Daran ist ja nichts verwerflich! Es ist ein legitimer Standpunkt, aber ein Verständnis dieser Ideologie, dem wenigstens ich mich nicht anschließe. Schon, weil es viel zu einfach ist.
Nein, ich denke, zwischen dem Nationalsozialismus, bzw. Faschismus allgemein und Naturschutz - wie sowieso Romantik - gibt es weitaus mehr Kongruenz, Überschneidung, Parallelen und Anknüpftpunkte, und zwar in beiderlei Richtung, allerdings und vor allem auf einer weniger trivialen Ebene. Wobei ich mich auf die Ideologie-n beziehe, beide! Sie schreiben zuletzt etwa vom "Regime", in diesem Sinne sind Zweifel in der Tat angebracht, aber das gilt doch im Prinzip für jede Art von Regierung: Wo immer Realpolitik gefragt ist, hat die Umwelt i.A. zuallererst Feierabend. ;-) Der Rest ist Symbolik, Prestige und Propaganda, aber das war dem NS nun nicht so eigen.
Ich bin nicht ganz sicher, worauf dieser Artikel abzielt :
Will er den Naturschutz als bedingt faschistisch darstellen oder will er heutige Bestrebungen auf Natur und Ökologie in die rechte Ecke drücken ?
Tatsache ist; dass von Kriegsende bis Ende der 70er Jahre auf die Umwelt keine grosse Rücksicht genommen wurde. Ich weiss das, da ich Jahrgang 64 und im Ruhrgebiet gross geworden bin, weill sagen, ich habe damals Sachen gesehen, die den heutigen Allergiekergenerationen ein schnelles rasches Ende bereitet hätten.
Gewaltige Schaumparties auf der Ruhr, Schwefelgeruch am Morgen (Kokerei in Essen - Karnap), DDT und Fischmehl im Frühstücksei, Formaldehyd satt in den Möbeln, saurer Regen, etc. etc..
Kann ja sein, dass Göring nur seinen röhrenden Hirschen behalten wollte, aber ist der Umweltschutz deshalb gleich schlecht ?
Es wäre schön, wenn der Autor sich dazu äussern würde.
Es gibt noch viel mehr zu wissen, als anekdotische Evidenz (eigene Beobachtungen) heranzuziehen.
Einfach ein wenig lesen - es gibt sehr gute (Universitäts-)Bibliotheken! ;-)
Macht viel aus für gute Argumentation!
Gruselig.
Assoziationen an andere ZON-Artikel sind rein zufällig.
http://www.zeit.de/wirtsc...
Assoziationen zum Rechtsberatungsgesetz um bestimmte Bevölkerungsgruppen von der Rechtsberatung auszuschließen?
Wirklich gruselig.
Vor ca. 35 Jahren hat eine meiner Omas (Jg. 1905) angesichts einer Dokumentation im Fernsehen gesagt "Müssen sie uns das denn immer wieder vorhalten". Damals wusste ich nicht, was sie damit meinte. Heute weiß ich mehr, auch dank solcher Artikel wie diesem hier.
Das mit den Hecken und der Begrünung wird ihr und meinem Opa gefallen haben.
Von den Autobahnen hatte ich schon gehört - diese Info über den "Grünstreifen" ist für mich neu.
Wie sagt man so schön: Nur getroffene Hunde heulen.
Es ist erst einmal nur eine Information. Wenn man annimmt, dass einem etwas vorgehalten wird, dann scheint es ja ein schlechtes Gewissen zu geben. Ansonsten dient dazu aus der Geschichte seine Schlüsse zu ziehen.
Der Text zeigt schön auf, dass man als Naturschützer, nicht automatisch "Gut" ist. Denn das wichtigste sollte es sein den Menschen im Blickpunkt zu halten. Es ist immer schlecht, wenn man sich für etwas einsetzt und dann einfach die Menschen vergisst oder gar verachtet.