Es ist keineswegs so, dass uns die Fußballweltmeisterschaft kaltlässt. Die Männer auf dem Rasen spielen ja nicht nur Fußball, sie spielen auch mit unseren Gefühlen: Jubel und Tränen, Schmerz und Abschied. Derzeit entwickelt sich beinahe jedes WM-Spiel in der Verlängerung oder durch Elfmeterschießen zum sogenannten "Krimi", es wird geschossen, Opfer fallen getroffen zu Boden, die Täter sind schnell ermittelt. Kein Wunder also, dass wir im gefühligen Taumel der WM fast vergessen hätten, was uns vor den Bildschirmen der Republik eigentlich im Innersten bewegt.
Den beinharten Rechercheuren der Gala ist der Verdacht zu verdanken, dass wir in der Fieberkurve der Viertelfinalspiele zur Raison gerufen werden, denn die Illustrierte vermeldet exklusiv eine "TV-Sensation": Helene Fischer soll im Hamburger Tatort eine Rolle bekommen. Doppelfolge, bääm.
Bereits beim großen 2013er Jahresrückblick des ZDF hatte Til Schweiger, der sein Hamburger Ermittlerteam an die Spitze der Einschaltquoten führen will, den Kollegen Prahl und Liefers aus Münster mit der Einwechslung von Deutschlands Schlagerkönigin als Quotenfrau gedroht (ab 92. Min). Die Münsteraner hatten gut vorgelegt und sind zuvor mit Roland Kaiser als Schlagerkönig Roman König in Führung gegangen.
Nun ist der Tatort gerade in Sommerpause, und wir von der Weltmeisterschaft so verblendet, dass wir einen Moment brauchen, um zu verstehen, was das für unser Land bedeutet. Immerhin ist der Tatort der sonntägliche Einblick in unsere bundesdeutsche Befindlichkeit. Was machen die Kids auf dem Schulhof? Wie geht es im Milieu zu? Welche Drogen nimmt man in den Clubs? Der Tatort weiß Bescheid.
Wir fragen uns also: Wird sich Nick Tschiller nun als Background-Sänger undercover in die Schlagerzunft wagen? Das große Geschäft mit den Herzen der Nation aufdecken? Wird er verhindern können, dass die Jugend der nächsten Generation mit Popschlagern wie Atemlos durch die Nacht gefährdet wird? Kann er Deutschland vor der Vollplaybackisierung der Gefühle bewahren? Und da, wie man hört, Helene Fischer sich selbst spielen soll, macht dann auch der Flori Silbereisen mit? "Schauen's, Herr Tschiller, des is' fei der richtiga Mörder!"
Wie bei jedem Freistoßtrick, muss man auch im Fernsehen damit rechnen, dass gegnerische Mannschaften eigene Strategien übernehmen. Freuen wir uns also darauf, dass die Kölner Kommissare Ballauf und Schenk vielleicht bald Andrea Berg auf dem Motorrad verfolgen. Die Ludwigshafener Ermittlerin Lena Odenthal könnte den Fall lösen, wer Beatrice Egli den Lippenstift geklaut hat und der Berliner Kommissar Stark den Volksrock 'n' Roller Andreas Gabalier aus einem Bandenkrieg unter Akkordeonspielern retten. Spätestens aber, wenn die Münchner Kommissare Leitmayr und Batić unter den Kastelruther Spatzen ermitteln, wer die Taube vom Dach geschossen hat, muss sich Til Schweiger echt warm anziehen.