Seine Work-Life-Balance sei seit ein paar Wochen richtig im Arsch, sagt Lasse Rheingans. Es ist 21 Uhr, der Geschäftsführer blickt auf sein Smartphone und zieht Bilanz: Er hat heute 15 Stunden gearbeitet. Morgens hat er seine drei Wecker verschlafen, seine Beine haben vor Müdigkeit gezittert. Als er dann eigentlich arbeiten wollte, beantwortete er die Interviewfragen eines Wirtschaftsmagazins. Danach kam eine Mail von einem Verlag, wegen eines Buchprojekts. Um 15 Uhr, zwei Stunden nach seinem eigentlichen Feierabend, wollte Rheingans für ein paar Minuten meditieren. Da klingelte das Telefon. Ein Kunde. "Meditieren zu der Zeit war natürlich eine doofe Idee", sagt er, "die haben andere Arbeitszeiten als wir." Rheingans, der erste Unternehmer in Deutschland, der einen Arbeitstag mit fünf Stunden einführte, muss gerade vor allem eins: viel arbeiten.
Lasse Rheingans, 37 Jahre alt, übernahm vor sechs Monaten die IT-Agentur
Digital Enabler
in Bielefeld. Kurz nach seinem Antritt als Geschäftsführer stellte er seinen neuen Mitarbeitern eine Frage, die zahlreiche Medien und Wissenschaftler in die Agentur lockte und Rheingans selbst zum Helden der neuen Arbeit aufsteigen ließ: "Wollt ihr weniger arbeiten und genauso viel verdienen?" Die Mitarbeiter wollten. Seitdem probiert seine Agentur ein neues Arbeitszeitmodell aus: fünf Stunden arbeiten pro Tag. 15 Stunden weniger pro Woche als der Vollzeitangestellte.
"Nach acht Stunden kann doch kein Mensch mehr kreativ sein. Man muss die Leute auch mal durch den Wald laufen lassen", sagt Rheingans. Der Stundenlohn der Mitarbeiter stieg von einem Tag auf den anderen um etwa 40 Prozent. Lasse Rheingans’ Zauberformel lautet: gleiche Arbeit bei gleicher Bezahlung in weniger Zeit mit zufriedeneren Mitarbeitern. "Alles in unserem Leben verändert sich gerade: Die Geschwindigkeit nimmt zu. Wir haben viel mehr Informationen und Möglichkeiten. Da wäre es doch verrückt, wenn wir unsere Arbeitszeit nicht auch veränderten, oder?", fragt er. Doch lassen sich acht Stunden Bruttoarbeitszeit einfach so – brutto gleich netto – verkürzen? Profitieren vor allem die Mitarbeiter vom frühen Feierabend? Oder doch das Unternehmen?
Die Arbeit ist ihm wichtig. Noch wichtiger ist es Rheingans, seine Töchter von der Schule abzuholen.
Zu Besuch im Bielefelder Büro an einem Februartag. Statt Sitzsäcken und Kickertisch, der Ausstattung von New-Work-Umgebungen, ist die Agentur schlicht: weiße Wände, schnöde Zimmerpflanzen, Käsebrötchen in der Küche. Dass die Agentur ein Arbeitszeit-Testlabor ist, erkennt man einzig an dem Flachbildschirm an der Wand. Morgens um acht beginnt darauf der Countdown. Fünf Stunden bis Feierabend. Die Mitarbeiter schreiben Konzepte für Websites, entwickeln Software. Unter dem Tisch der Projektmanagerin Jana Burdach schläft ihr Hund Bonnie. Rheingans sitzt mit einem Kunden im Besprechungsraum. Für ein Großraumbüro ist es auffallend ruhig.
Rheingans hatte im vergangenen Jahr das Buch
The Five Hour Workday
des amerikanischen Unternehmers Stephan Aarstol gelesen und war begeistert. In seiner vorherigen Agentur, die er mit drei anderen Geschäftsführern leitete, habe er mit Leuten zusammengearbeitet, denen es egal war, ob sie eine Agentur oder eine Schweinemast führen, so beschreibt er es. "Wer nicht performte, dem wurde gekündigt." Rheingans hinterfragte damals, wie viel Zeit er im Büro und wie viel Zeit er mit seiner Familie verbringen wollte. Seine Arbeit ist ihm wichtig. Aber noch wichtiger, sagt er, sind ihm seine zwei Töchter. Die will er mal von der Schule abholen oder vom Klavierunterricht. Deshalb wollte er die Idee des Buches ausprobieren, fünf Stunden konzentriert arbeiten bis zur Mittagspause.
Kommentare
Das ist meiner Meinung nach ein hervorragendes Arbeitszeitmodell . Dort wo es machbar ist, sollte man es auch umsetzen. Und wenn es erstmal probeweise ist. Ich befürchte nur daß es auf Arbeitgeberseite noch zu viele "Betonköppe" gibt
Aber nichts für die Industrie oder Handwerk.
Gerade Industrie ist in der Hinsicht sehr wissenschaftsfeindlich eingestellt und gegen den Menschen gerichtet.
Bei "Spaß-Arbeiten" kann man es vielleicht gemütlicher angehen lassen. Da scheint ja auch Kreativität angesagt zu sein.
Oh oh, was machen dann die highperformer, wenn nach 5h niemand da ist dem sie zeigen können, wie gut und lange sie arbeiten?
Die delivern weiter. Denn ein high-performer leistet vor allem gute Arbeit und nicht viel Arbeit. So jemanden ist es egal, wie lange er im Büro ist, solange die Qualität seiner Arbeit all jene "out-performed", die den ganzen Tag nur rumslacken.
Lange im Büro sitzen ist Mittel zum Zweck ( = gute Leistung bringen), nicht Selbstzweck.
Sie können mir nicht erzählen, das jemand nach mehr als 8Stunden Arbeit, noch gute Leistungen bringen kann
Der sog. Highperformer ist nicht die Person, die mit überstunden-, Urlaubskonten etc, prallt, genauso wenige erzählt ein Highperofemer wann er am Arbeitsplatz war und wie lange!
Dem wahren Highperofmer geht es um ein möglichst hohequalität seiner Arbeit und er hat schlicht Spaß sich für die Kollegen den "A... aufzureissen" sein lob besteht darin, dass seine idee umgesetzt ist und das es funktioniert!
Allse ander saind Wiichtigtuer und man müste sie eigentlich entlassen, denn allein was bei dieser Klientel an Arbeitszeit verloren geht, duch das prahlen...
Da fragen sie mal Herrn Sarrazin, der konnte "gut" arbeiten und hatte noch Zeit ein Buch zu schreiben, alles an einem 8 Stunden Tag, mit 5 Stunden hätte dass nicht gereicht.
Das war Ironie...
Doch. Ich. S. 1.4
Die gehen dann betont Rennradfahren weil sie "dann immer die besten Ideen haben". Und nerven ihre Partner und Partnerinnen, weil sie jetzt auch beim Kochen dominieren.
"Denn ein high-performer leistet vor allem gute Arbeit und nicht viel Arbeit. "
Ich vermute mal, Schob85 wollte den "highperformer" in Anfühungsstrichen setzen, und die Frage war ironisch gemeint.
Aber davon mal ab: Eine allgemeine Reduzierung der Arbeitszeit würde allen gut tun. Würde sich das weltweit durchsetzen (was es natürlich nicht tut, jedenfalls noch nicht), dann wären nicht einmal Nachteile zu befürchten.
Und dieser Trend geht ja nun schon seit weit über Hundert Jahren in diese Richtung. Wie werden also ganz sicher noch die 25- oder gar 20-Stunden-Woche erleben.
"Sie können mir nicht erzählen, das jemand nach mehr als 8Stunden Arbeit, noch gute Leistungen bringen kann"
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Das geht hängt aber von der Art des Problems ab und auch wie es so läuft. Ich habe mich schon früh hingesetzt und 10 Stunden durchgezogen ohne zu merken wie die Zeit vergeht.
Dagegen gibt es auch Probleme wo man sich einfach vorankommt, und da ist dann schon nach 3h die Batterie leer.
"Sie können mir nicht erzählen, das jemand nach mehr als 8Stunden Arbeit, noch gute Leistungen bringen kann"
Selbstverständlich kann man das. Wieso sollte dem nicht so sein?
Nicht jeder Tag ist gleich und an manchen Tagen liegen die wichtigen Dinge eben erst am Nachmittag. Dann lässt man die Stunden vorher ruhig angehen.
Zumindest sollte man als AN (oder AG) sein eigenes Zeitmanagement entwickelt haben.
PS: Trotzdem finde ich das Modell 5h ausgezeichnet ;-)
Richtig. Und das obwohl sie offensichtlich mit 3 Stunden weniger gleiche Leistung zeigen.
Doch. Ich. Aber nicht, wenn ich das über Monate machen müsste. Dann entkräftet es.
Kurzum, gelegentlich kein Problem. Dauerzustand wäre ein Problem.
Nicht immer, aber wenn ich (Softwareentwickler) richtig gute Ideen habe und grad für ein Thema brenne, kann ich auch nach 10h noch Leistung bringen und muss mich selbst dazu drängen mal nach Hause zu gehen.
Es gibt aber auch Tage, da grübel ich ab dem Mittag 4h über ein Thema ohne Ergebnis und am nächsten Morgen hab ich nach 20min eine Lösung.
Darum ist Flexibilität meines Erachtens nach in vielen "modernen" Jobs auch so wichtig (unter anderen).
„Denn ein high-performer leistet vor allem gute Arbeit und nicht viel Arbeit.“
Ein „High-performer“ leistet viel, wobei Leistung als Arbeit pro Zeiteinheit zu verstehen ist. Dass die Arbeitsergebnisse auch qualitativ gut sein müssen, ist eine Selbstverständlichkeit. Allerdings können in den meisten Tätigkeiten auch Laien gute Ergebnisse liefern, vorausgesetzt sie erhalten genügend Zeit.
Schaut man sich etwa die Juristerei an, wird man feststellen, dass das alles keine komplizierte Kunst ist (und in vielen Rechtsordnungen, so etwa jenen des Common Laws, auch von Laien ausgeübt wird). Die beschränkende Einflussgröße ist hier die Zeit. Und sie ist im Übrigen auch der Grund dafür, weshalb eine 25-h-Woche illusorisch ist, denn die allermeisten Arbeitnehmer wollen pünktlich Feierabend haben und in ihrer Freizeit nicht durch eine 24/7-Erreichbarkeit belästigt werden. So geht das aber nicht - schon gar nicht heutzutage und in Großstädten.
Es ist daher besser, wenn Arbeitnehmer einige Stunden lang mit Kaffee trinken oder Löcher in die Wände starren beschäftigt sind, dafür aber von Kunden oder vom Arbeitgeber erreicht werden können.
Kommt eben drauf an was man macht.
Wenn bei uns im Einkauf am Tag XXX Artikl bestellt werden müssen, neue Artikel angelegt werden müssen, Anfragen geschreiben, Angebote der Lieferanten ausgewertet werden etc, dann arbeiten da in der firma in der ich bin ca 12 Leute ca 8 Stunden am Tag.
Artikelanlage dauert X Minuten, Bestellung Z Minuten etc.
Wenn die auf einmal nur noch 5 Stunden arbeiten türmt sich die Arbeit.
Mach ich jeden Tag
Wenn die Gewinnspannen hoch sind und die Firma klein und kreativ, kann so was funktionieren.
Bei großen Massenmärkten, da wo der Konkurrenzdruck stark ist, ist so was wegen des viel zu teuren Personals völlig illusorisch.
Letztendlich ist es ein kleiner Schritt hin zu einer anderen Arbeitsform. Und das sich am Status Quo vieles ändern wird ist systemisch determiniert.
Das passiert ganz von alleine, macht die "unsichtbare Hand".
Zieht sich nur ganz schön in die Länge, da die Bewahrer des aktuellen Systems sich ganz gut eingerichtet haben mit ihren Erfüllungsgehilfen und mit aller Kraft und diverstesten Methoden versuchen sich gegen den stetigen Wandel zu stemmen.
Einfach abwarten :)
"Nach acht Stunden kann doch kein Mensch mehr kreativ sein. "
In den meisten Berufen wird einfach nur gearbeitet, da ist man nicht kreativ.
Als wenn die Welt der Arbeit nur aus Start-Ups, Agenturen und Kreativen bestehen würde.
Kreativität, wie auch andere Leistungsformen, sind auch nicht jeden Tag morgens gleich voll aufgeladen und nutzen sich über den Tag gleichförmig ab. Gibt Tage mit hoher Kreatitivität für 20h am Stück, und manche ohne 10min.