Claudia Meiners hatte anscheinend großes Glück mit ihrem Willow. Sie kaufte den Welpen bei einem Labrador-Züchter, dem vor allem der Arbeitseifer seiner Hunde wichtig ist und der ursprünglich rassetypische
will to please
– der Wunsch, es dem Menschen recht zu machen. Das weißblonde Wollknäuel, das inzwischen zu einem sehr schlanken Hund mit schmalem Kopf und seelenvollen Augen herangewachsen ist, entpuppte sich als Naturtalent.
Schon der erste Grand Mal, den Willow miterlebte, beeindruckte ihn sehr. Und bereits nach anderthalb Wochen mit drei großen Anfällen habe er sie das erste Mal gewarnt, sagt Meiners: "Das war fast ein bisschen unheimlich, ich wollte es erst gar nicht glauben." Unter Diabetiker-Hunden zumindest sind Naturtalente weiter verbreitet. Einer Studie zufolge hat rund jeder dritte von ihnen ganz von selbst damit begonnen, den entgleisten Zuckerspiegel anzuzeigen – wie auch der Schäferhund, der den Diabetologen Scherbaum überzeugte.
Inzwischen hat Willow viel dazugelernt. Wenn er sie warnt, legt sich Claudia Meiners sofort auf ihr weißes Sofa. "Hol die Medibox", sagt sie dann, und ihr Assistent flitzt zum Küchentisch, packt das Täschchen mit Diazepam und legt es ihr auf den Schoß: Die Tropfen bieten die kleine Chance, den Anfall abzuwenden. Als Nächstes bringt der Hund das Telefon. Dann legt er sich neben sie, bis der Anfall vorüber ist. Und falls sie danach Hilfe brauchen sollte, kann er den Sanitätern die Tür öffnen, mithilfe einer Kordel. Früher mussten die Helfer häufig die Tür aufbrechen, weil Meiners zu geschwächt war, um zu öffnen.
Dass Hunde solche Dienstleistungen erbringen können, ist unbestritten. Doch an Willows Warn-Talente mag Christian Elger nicht glauben. Der Professor leitet die Klinik für Epileptologie der Universität Bonn und sagt: "Wissenschaft kommt von Wissen." Nur wenige Studien, etwa aus Irland, Australien oder den USA, haben sich bislang mit dem Phänomen beschäftigt. Und keine von ihnen hält den strengen wissenschaftlichen Kriterien stand, was die Fallzahlen oder die Methodik betrifft. Für Elger ist klar: "Wenn Hunde wirklich einen Anfall vorhersagen könnten, wäre das der Stein der Weisen, nach dem wir alle suchen."
Sein Kollege Stefan Stodieck, Chef des Epilepsiezentrums Hamburg, ist nicht ganz so skeptisch. "Es kann sein, dass es im einen oder anderen Fall funktioniert, je nach Art der Epilepsie. Ich halte das absolut nicht für ganz ausgeschlossen", sagt er. "Aber es gibt dafür keine harten Daten, mir fehlen die Belege." Manche Menschen zeigten vor dem Anfall Verhaltensänderungen, die ein Hund wohl wahrnehmen könne. Wenn ein solcher Patient sich einen Warnhund wünscht, pflegt Stodieck zu sagen: "Probieren Sie es, aber versprechen Sie sich nicht zu viel davon."
In ganz Deutschland gibt es wohl maximal zwei Dutzend Hunde, die vor Krampfanfällen warnen. In England seien sie viel weiter verbreitet und würden teilweise sogar von der Krankenkasse finanziert, sagt Stodieck. Doch weil es an belastbaren Studien fehlt, sind Mediziner meist skeptisch, was die Warnfähigkeit betrifft, oder sie halten entsprechende Berichte gar für Humbug, wie der Bonner Professor Elger.
Die Zoologen hingegen sind von solchen Fähigkeiten der Hunde überzeugt, zumal es dafür weltweit viele Beispiele gebe. Die Zoologin Feddersen-Petersen fordert deshalb interdisziplinäre Forschungsprojekte: Nur mit dem vereinten Wissen verschiedener Fachrichtungen sei zu klären, was genau Hunde wie Willow für ihre erkrankten Besitzer so wertvoll macht – ob sie die Nase nutzen, um Epileptiker zu warnen, oder ihre Beobachtungsgabe einsetzen oder beides kombinieren. Claudia Meiners allerdings ist das letztlich egal. "Ich bin da pragmatisch", sagt sie. "Auf jeden Fall hat Willow meine Lebensqualität um hundert Prozent gesteigert. Jetzt kann ich mit der Epilepsie ganz gut leben."
*Name von der Redaktion geändert
Kommentare
Hunde sind einfach toll!
Ich kann mir ein Leben ohne Hund an meiner Seite gar nicht vorstellen :)
Hunde....
Werde mir jetzt mit Sicherheit wieder keine Freunde machen, aber der Hundewahnsinn in unserer Gesellschaft nimmt schon seltsame Züge an.
Finde eigentlich Artikel wie den obigen velleicht gar nicht so uninteressant was die Fähigkeiten eines Tieres beschreibt, aber:
Kaum ein Tag, an dem nicht in irgendeiner Zeitung ein Hurra-Artikel über Hunde auftaucht.
Kein Werbespot im Fernsehen, in dem neben der Standard-Knorr-Familie mit EF-Haus und SUV vor der Garage nicht sofort der "zum Familien-Glück dazugehörige" Hund auftaucht.
Kaum ein Ehepaar/Einzelperson oder Familie, welche einem beim Spaziergang ohne Leine entgegenkommt. Der Trend geht zum Zweit- bzw. Dritthund, pfeiff doch auf die Hundesteuer...
Nur das wir uns klar verstehen:
Ich unterscheide zwischen Hunden (inkl. den passenden Hundehaltern), welche eine sinnvolle und notwendige Funktion ausüben - Blindenhund, Schäferhund, Drogenspürhund, Wachhund, etc. - und dem traurigen Rest:
Eine Mehrzahl degenerierter, in keinster Weise artgerecht gehaltener, verhaltensauffälliger, verzogener Hunde mit Ihren überforderten Haltern.
Eine sehr traurige Entwicklung, für das (Haus-)Tier vor allem.
Stimmt teilweise schon
Habe selbst einen Hund und mir passiert es immer wieder, dass auf dem Feld frei laufende Hunde auf mich zustürmen oder meinen Hund angreifen. Ich verstehe diese Leute nicht. Ich leine meinen Hund immer an, wenn andere Hunde in Sicht kommen. Und wenn er mal ein bisschen zickig ist, bleibt er halt ganz an der Leine. Aber offenbar sind damit die meisten Hundehalter schon überfordert. Hab mir sogar extra ein "Tierabwehrspray" gekauft, um mich notfalls gegen Schäferhunde (besonders beliebt bei zierlichen Frauen) wehren zu können.
Man bräuchte wirklich eine Art Hundeführerschein. Nur, wer die Prüfung besteht, ist berechtigt, einen Hund zu halten. Sicherlich kann man das noch ein wenig differenzieren. So kann die Prüfung, ob man einen Herdenschutzhund halten darf, durchaus schwieriger sein als die Prüfung für einen Westie. Letztlich wäre da aber der Landesgesetzgeber gefragt.
Wenn solche Erkenntnisse, von denen ich wirklich überzeugt bin,
mal dazu führten, dass wir endlich Tiere nicht nur als Produktionsmaschinen anerkennten und ihnen ein Lebensrecht jenseits menschlicher Verwertungsinteressen zugestünden, wäre das sehr schön. Die Paradoxie ist, dass natürlich auch in diesen Fällen vor allem der Nutzen für Menschen im Vordergrund steht.
Tatsache ist aber, dass es Zeit wird, dass das menschliche Tier endlich seine tiefe Verwandtschaft mit tierischen Tieren erkennt (warum sinkt denn sonst sein Cortisol-Spiegel im Zusammensein mit Tieren?) und daraus endlich lernt, dass wir Tiere für unser Leben und Überleben brauchen und zwar nicht als Produktionsmaschinen, Messinstrumente und Spielzeug, sondern als Partner, Mitgeschöpfe und Mit-Erdenbewohner mit dem selben Recht auf Leben, wie wir es für uns in Anspruch nehmen.
Übrigens, Tiere wirken auch sozialisierend:
Es gibt Projekte in den USA, in denen Strafgefangene Mustangs zähmen (nicht brechen!) und nicht rückfällig werden, in denen Strafgefangene Tierheim-Hunde zu Therapiehunden ausbilden, auch da eine geringe Rückfallquote oder jugendliche Straftäter auf einem Bauernhof Verantwortung lernen für ihnen ausgelieferte Leben.
Und all das schreibe ich als Fast-Veganerin mit einer verschmusten Katze auf dem Schoß, die gerne auch draußen Mäuse fängt oder versucht, mit den Hauskaninchen zu spielen.
Katzen bemerken, wann es zu Ende geht mit einem Menschen.
Tiere nehmen Erdbeben wahr und sonstige drohende Naturkatastrophen, Delfine retten Menschen oder bitten die um Hilfe, wenn sie selbst in Not sind.
Auch Schweine haben schon ertrinkende Kinder gerettet.
Es wird allerhöchste Zeit für eine andere Sicht auf unsere Erd-Mitbewohner, aber auch da fürchte ich wieder jahrelangen Stillstand oder gar Rückschritt durch unsere Bundesmutti mit ihrer Lobbyhörigkeit.
Weiter schreckliche Zeiten für "Nutz"tiere, Tierversuchstiere, Pelztiere, Zirkustiere.
Suchen sie mal eine Wohnung mit Hund
Erstaunlicherweise ist das auf Dörfern besonders schwierig. Die Ausreden, Ablehnungen sind einfach nur ermüdend und langweilig.
Falls sie es wagen auch noch Kinder zu haben sehen sie die von hinten gezogene Karte noch häufiger.
Fahren sie mal Zug mit dem Hund. (Auto ist dann echt schon billiger).
Ähnlich wie bei Menschen ist die normative Gleichschaltung gewünscht. Der Golden Retriever als Standardhund usw.
Hunde ohne Funktion habe keine Existenzberechtigung...kommt bei Menschen wohl auch bald (wieder). Effizienz, Effizienz und nicht Vielfalt.
Hunde werden auf Geräusche und ihre Ausscheidungen reduziert. Usw.
Deutschland ein Hundeland? Gestatten sie, das ich lache. Es gibt einige Städte und Gegenden, die man empfehlen kann, ansonsten ist man mit moralinsauren Menschen konfrontiert, die einem vorschreiben, wie - wenn schon - ein Hund zu sein hat.
Und zum xten mal: Hundesteuer ist keine Steuer sondern eine Abgabe.
BGH-Urteil
Seit einigen Monaten dürfen laut BGH Hunde nicht mehr pauschal ausgeschlossen werden sondern nur im Einzelfall, etwa wenn er erwiesenermaßen die Wohnung beschädigt. Also einfach den Hund verschweigen und wenn der Vermieter empört fragt, was der Hund hier macht, dann hat man ihn halt eben erst gekauft.